Wer Kinder hat, im Bildungsbereich arbeitet oder anderweitig regelmässig mit Gen Alpha oder jüngeren Gen-Z Vertretern zu tun hat, kennt den Ausruf vermutlich: „Six-seven!“
Laut.
Unvermittelt.
Und scheinbar völlig ohne Sinn.
Was für Erwachsene wie purer Unsinn wirkt, ist in Wahrheit ein aufschlussreiches Beispiel dafür, wie Jugendkultur heute entsteht, sich verbreitet und soziale Bedeutung entfaltet.
Der „Six-Seven“ oder 6-7-Trend hat seinen Ursprung in der Musik. Die Zahlenfolge tauchte erstmals 2024 in einem Song des US Rappers Skrilla auf – ohne klar definierte Bedeutung. Genau diese inhaltliche Leere erwies sich jedoch als Vorteil. Richtig viral wurde der Begriff, als der Sound auf TikTok massenhaft mit Clips des NBA-Stars LaMelo Ball kombiniert wurde, der zufällig 6 Fuss und 7 Zoll gross ist.
Irgendwann verliess der Trend den digitalen Raum und ab ging es in die reale Welt. „Six-Seven“ tauchte zunächst auch in Klassenzimmern in den USA und Grossbritannien auf, sehr zum Leidwesen von Lehrkräften, deren Schüler bei jeder Erwähnung der Zahl 67 kollektiv in Geschrei ausbrachen. Spätestens hier war klar: Der Trend hatte den Sprung von Social Media in den Alltag geschafft.
Auch aus Unternehmenssicht wird „6-7“ interessant. Für viele Marketingexperten unverständlich, zeigt der Trend, dass es für junge Menschen nicht immer um Bedeutung, Information oder Nutzen im klassischen Sinne geht. Der Begriff 6-7 funktioniert als soziales Signal. Wer ihn kennt, richtig einsetzt oder im passenden Moment ruft, zeigt Zugehörigkeit. Es geht darum, Teil eines kulturellen Codes zu sein. Nicht das Was zählt, sondern das Mitmachen.
Diese starke Orientierung an sozialer Zugehörigkeit hat direkte Auswirkungen auf das Kaufverhalten. Junge Konsumentinnen und Konsumenten kaufen nicht nur Produkte – sie kaufen Zugehörigkeit, Status und kulturelle Anschlussfähigkeit. Marken werden nicht nur danach bewertet, was sie versprechen, sondern danach, welche Rolle sie im sozialen Gefüge spielen. Produkte, Plattformen oder Services werden dann relevant, wenn sie helfen, Teil einer Gemeinschaft zu sein oder die eigene Identität sichtbar zu machen.
Für Marketer bedeutet das eine grundlegende Verschiebung. Kaufentscheidungen sind weniger rational und weniger individuell, als klassische Modelle lange angenommen haben. Sie sind sozial eingebettet. Empfehlungen aus der Peer Group, Sichtbarkeit auf Social Media und kulturelle Passung wiegen oft schwerer als Preis oder funktionale Vorteile. Wer „dazugehört“, beeinflusst, was gekauft wird.
Das bedeutet nicht, dass Unternehmen Jugend-Slang kopieren oder jedem viralen Trend hinterherlaufen sollten. Im Gegenteil: Das wirkt meist gezwungen und unauthentisch. Der eigentliche Mehrwert liegt darin, zu verstehen, wie junge Zielgruppen Bedeutung schaffen, Gemeinschaft aufbauen und Identität ausdrücken. Wer diese Mechanismen versteht, kann Produkte, Plattformen und Kundenerlebnisse gestalten, die sich natürlich für junge Kunden anfühlen und als Teil des sozialen Gefüges angenommen werden.